Ostern Trost und Hoffnung
Text von Sonja
Traditionen sind mir wichtig. Rituale geben Halt.
Unser Schreibwarenhändler hat alles was ich für Ostern benötige und auch sonst so ziemlich alles. Dachte ich zumindest bis zum Gründonnerstag. Da gibt es die Fähnchen für das Osterlamm und die traditionellen Eierfarben. Bei ihm findet man zwischen billigen Matschboxautos, Stiften und verstaubten Hummelbildchen die gängigsten Zeitungen und Versandtaschen in allen Größen. Aber auf meine Frage nach Ostergras schüttelte er bedauernd den Kopf. „Geht nicht mehr. Wollen die Leute nicht mehr.“
Gut, dann such ich eben im Wald. Ich kann doch die Ostereier nicht einfach so in das Körbchen legen oder gar in einen nackten Schuhkarton aufschichten? Beinahe kann ich meine eigene Oma in ihrer Empörung hören: „Nackert“, hatte sie immer gesagt und sich so geschüttelt dabei. Nackert gehört sich nicht, nicht bei den Fenstern („Kind da gehören Gardinen dran“), noch bei den Leut und auch nicht wie jetzt bei mir bei den Osterkörbchen.
Die Nase Richtung Waldboden gesenkt, kam ich mir vor wie ein Trüffelschwein. All die kleinen Kostbarkeiten. Ich achtete auf jedes noch so unscheinbare Blümchen am Waldrand. Dort blitzte es schon blau. Blühen die Veilchen immer so früh? In der windgeschützten Kuhle spitzten die ersten Schlüsselblumen. Die Buschwindröschen müssen über Nacht aufgegangen sein.
Ich schlenderte über eine Wiese am Waldrand. Sehr feucht war alles, aber kaum schien die Sonne, dampfte der Wald, einzelne Regentropfen blitzten wie Kristalle.
Wieder einmal erinnerte ich mich an die halbrohen Ostereier, die ich meinem Bruder auf seine erste Motorradfahrt mitgegeben hatte. Wie er sie am Straßenrand verzehren wollte und ihm der Glibber durch die Finger lief. Es bleibt ein Rätsel wie das passieren konnte. Ich dachte an unsere Familie, die mir vorkommt wie der vereinzelte Baum dort an der Lichtung. Mehrere Stürme im letzten Jahr haben dem Wald ganz schön zugesetzt. Manche Bäume wurden arg gebeutelt. Dieser da sah aus als wäre die Wurzel schon ein wenig angehoben. Auch wir sind so beschädigt und zerfleddert. Bis in die innerste Zelle hat dein Weggang uns zugesetzt.
Anfangs haben wir noch tapfer versucht dem Leben was abzutrotzen. Nur nicht unterbringen lassen. In dem Wissen, du wolltest deinem Leid ein Ende setzen aber nicht unser Leben damit ruinieren. Aber je älter die Eltern werden (beide über 80), desto mehr habe ich das Gefühl, der nächste Sturm bläst uns um. Die nächste Klippe bzw. schlechte Diagnose (mein Vater hat Leukämie) können wir nicht mehr überwinden. Beim nächsten Rückschlag wird sich Mutter nicht mehr aufrappeln.
Ach, ach, Bruder du fehlst. Bin ich nicht auch irgendwie entwurzelt? Ich wollte mich nicht in Selbstmitleid verlieren und auch nicht heulen. Ich blickte zum Himmel, die
Sonne schien, der Himmel strahlte fast königsblau und – mein Atem setzte für einen Moment aus: Ein perfekter Regenbogen wölbte sich über die Wiese. Wärme durchströmte mich. Ein lange vermisstes Gefühl der Geborgenheit breitete sich aus, in mir und über der Wiese. Jetzt konnte ich die Tränen wirklich nicht mehr zurückhalten. Danke Bruder für dieses Zeichen.
Ich weiß, jeder der das hier liest versteht mich. Und deswegen teile ich dies mit Euch. Andere würden sagen: „na hör mal, es hat geregnet, die Sonne scheint, natürlich entsteht da ein Regenbogen.“
Aber grade hier, genau über mir, zu dem Zeitpunkt an dem ich an ihn dachte?
Vielleicht ist es ein billiger Trost in so vielem ein Zeichen zu sehen. Vielleicht lässt sich alles irgendwie anders erklären.
Aber ist nicht die ganze Ostergeschichte ein einziges Rätsel, ein einziges großartiges Zeichen? Mit dem Appel: Glaubt an mehr als ihr sehen könnt, glaubt an die Auferstehung!
Fast tänzelnd machte ich mich auf den Heimweg. Ich hatte Moos gefunden, Blümchen und jede Menge Hoffnung.
Das ist die frohe Botschaft für alle von Euch: feiert Ostern, feiert die Auferstehung für und mit dem der fehlt.
Und übrigens: im Kirchenjahr beginnt nach der Osterzeit eine 50-tägige Freudenzeit bis Pfingsten. Noch ein Grund mehr zum Feiern!
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