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GLEICHE PERSPEKTIVEN UND VERSCHIEDENE ANSICHTEN – ODER ICH SAMMLE MEINE MOMENTE TEIL 2


Noch immer bin ich dabei, meine guten Momente zu sammeln. Als Erinnerungen, wenn es einmal wieder schwierig ist, diese am Horizont zu erblicken. In der letzten Zeit konnte ich immer wieder den passenden Moment erwischen, um der Färbung des Himmels am Abend gerade noch so zu verfolgen. Nach dem Tod meines Sohnes waren das für mich die wertvollsten und emotionalsten Momente des Tages. Im Sommer auf dem Weg zur Arbeit (die beginnt sehr früh am Tag) konnte ich dieses Schauspiel oft beobachten, abends suchte ich oft Plätze auf, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Innerlich zerrissen, verletzt, schmerzend. Ein Stückchen Frieden suchend. Auf Antworten hoffend. Und darauf vertrauend, dass er seinen Frieden wohl auf der anderen Seite gefunden hat. In den letzten zwei, drei Jahren gelang es mir nicht mehr so häufig, den Himmel zu betrachten. Zu viel hielt mich davon ab. Der oftmals stressige Alltag, die Müdigkeit, die Traurigkeit, die Angst. Der Alltag, weil ich ihn inzwischen viel anstrengender empfinde als „Davor“. Die Müdigkeit, weil eben der Alltag mich so häufig fast zu überfordern scheint. Dinge erledigt werden müssen, die mehr Kraft erfordern als früher. Vielleicht auch, weil meine Seele oftmals müde ist, schneller gealtert zu sein scheint. Die Traurigkeit, weil ich mit jedem Blick in den Himmel die Sehnsucht nach meinem Kind spüre. Die Angst, da die eigene Schutzmauer beim genauen hin fühlen immer wieder ihre tiefen Risse offenbart und bröckeln könnte. Trotz all der Stärke, die mir innewohnt, ist da eben auch diese tiefe Verletzlichkeit. Und ich bin mir ihrer viel mehr bewusst als vor seinem Tod. Beides haben zu dürfen, in Balance zu halten und zu akzeptieren ist nicht immer einfach. Und manchmal Dinge stehen lassen zu können, die ich nicht ändern kann, gehört auch zu meinem Lernfeld. Aus der gleichen Perspektive Dinge zu betrachten, verschiedene Ansichten wahrnehmen und auch über diese nachzudenken. Auch die körperliche Gesundheit hat mich in den letzten eineinhalb Jahren extrem ausgebremst. Hat mich müde gemacht. Kam die körperliche Anfälligkeit, weil es meiner Seele nicht so gut geht? Oder geht es mir seelisch schlechter, weil ich körperlich nicht mehr auf dem Damm bin? Zwei Perspektiven, zwei Denkansätze. Und wohl in beidem ein Fünkchen Wahrheit. Denn Körper und Seele gehören unweigerlich zusammen, bilden eine Einheit. Sind nur nicht immer im Einklang miteinander. Sich um den Körper zu kümmern, gelingt oftmals viel einfacher als um die eigene Psyche.

Nun haben wir die Woche der Seelischen Gesundheit. Und natürlich würde ich mir sehr wünschen, dass sich jeder Mensch Gedanken darüber macht, was Seelische Gesundheit überhaupt bedeutet. Für einen selbst, für alle anderen. Dass wir lernen, genauer hinzuschauen. Uns damit auseinandersetzen, was psychische Erkrankungen eigentlich sind. Was da im Körper passiert, wie sie sich äußern, wie man sie behandeln kann. Es ist so ein vielfältiges Lernfeld, mit den verschiedensten Krankheitsbildern, die die Psyche betreffen können. Und wie auf den drei Fotos, bei denen immer dasselbe Motiv fotografiert wurde, ergeben sich verschiedene Sichtweisen und Ansichten. Manch einer stempelt den anderen gleich herabwürdigend als „verrückt“ ab. Manch einer nimmt erst gar nicht wahr, dass es dem anderen nicht gut geht. Und mach einer wiederum erkennt die Not des anderen, reicht die Hand, unterstützt und macht Mut. Wo stehen wir selbst? Und was tun wir, wenn wir unsere eigene Not sehen? Wir alle dürfen fürsorglich mit uns selbst umgehen. Auf uns Acht geben, uns um uns selbst kümmern. Und selbstverständlich auch Hilfe suchen, wenn wir alleine nicht mehr klarkommen. Jeder von uns ist wertvoll. Beginnen wir bei uns selbst und tun uns etwas Gutes, damit wir gestärkter den Alltag bewältigen können. Und betrachten was wir was wir sehen auch einmal aus einer anderen Perspektive. Ändert sich unsere Ansicht? Verschiebt sich etwas? Was bleibt gleich, was fühlt sich schwer, was sich gut an? Ich glaube, ich werde nun wieder öfters versuchen, einen Blick auf die Farben des Himmels zu werfen. Nicht nur, weil ich dankbar bin, dass ich es inzwischen mit vielen Tränen geschafft habe, das frühere Zimmer meines Sohnes in mein Büro umzugestalten und von dort aus einen großartigen Blick Richtung Abenddämmerung werfen kann. Sondern auch deshalb, weil mir die Angst vor dem Spüren meiner Sehnsucht nach ihm dieses Schauspiel des Himmels nicht nehmen sollte. Denn eigentlich ist es mir ja klar: die Sehnsucht bleibt. Ist Teil von mir. Die Angst vor dem Fühlen jedoch darf weichen. So wie das Lächeln sein darf, dürfen es auch die Tränen. Alles hat seine Zeit, und alles hat seine Berechtigung. Es sind die geteilten Momente… zwischen ihm und mir. Über alle Grenzen und Zeiten hinweg. Mit diesem Gefühl im Herzen werde ich morgen nach Kassel aufbrechen, um am Mittwoch der Veranstaltung beizuwohnen, die wir gemeinsam mit dem Museum für Sepulkralkultur geplant haben. Die Pflanzung eines TREE of MEMORY… für ALLE von uns und unsere Verstorbenen. Ich freue mich, wie alle weiteren Beteiligten auch, auf die Begegnungen dort… und sammle die Momente.

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