google-site-verification=-UgRHQ8wj0fm7xzZB-RVR0oR456EBS1jG8-927xuFjk ERLEBEN, HINSPÜREN, SACKEN LASSEN - ODER WAS EIN EINZELNER TAG NACHHALLEN LÄSST
top of page

ERLEBEN, HINSPÜREN, SACKEN LASSEN - ODER WAS EIN EINZELNER TAG NACHHALLEN LÄSST


Der Freitag war ein besonderer Tag. Nicht nur, dass es der 10. September und somit der internationale Tag der Suizidprävention war. Zum ersten Mal wurde dieses Datum auch dafür ausgewählt, um einen TREE of MEMORY in den Kreis der Bäume der Erinnerung aufzunehmen. Ein bereits stattlicher, großer und längst gepflanzter Baum wurde dafür ausgesucht, um ein Zeichen zu setzen. Im Stadtpark Gießen unweit des Parkplatzes am Badezentrum Ringallee fand hierfür die Zeremonie statt. Ein TREE of MEMORY für alle im Raum Gießen, die einen geliebten Menschen durch Suizid verloren. Sie alle dürfen sich mit diesem Baum nun verbunden fühlen. Sich dort, an dieser Stelle, ihrer geliebten Menschen erinnern. Dem Blätterrauschen lauschen, das Wehen des Windes in den Ästen betrachten. Ein Stück Frieden finden. Der Baum ist ebenso ein TREE of MEMORY für alle Bürger Gießens, die seelische Krisen durchleben und ein Zeichen der Hoffnung benötigen.

Zur feierlichen Zeremonie befanden sich über zwanzig Personen ein. Unser Gießener Mitglied Elke begrüßte die Anwesenden mit gefühlvollen Worten und gab dann das Wort an die Oberbürgermeisterin der Stadt Gießen weiter. Auch sie gab wieder, wie wichtig und wertvoll solch ein Baum sein kann und auch, wie wichtig sie es ansieht, das Thema Suizidprävention in die Öffentlichkeit zu rücken. Mario Dieringer fand in seiner anschließenden Rede bewegende Worte die nachdenklich machten, die Trost spendeten, die die Anwesenden mitnahmen. Worte, die auch Hoffnung schenkten. Im Anschluss an seine Rede wurden die Wünsche und Gedanken, die zuvor niedergeschrieben und gesammelt wurden, an die Wurzeln des Baumes gegeben. Begleitet von wohlwollenden Worten eines Mitglieds des Gießener Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, welches den TREE of MEMORY für Gießen ebenfalls sehr willkommen hieß. Dann wurde die eigens dafür gestaltete Gedenk-Plakette enthüllt, während ein Mitglied des Caritas Verbandes einen irischen Segenswunsch sprach. Es ergaben sich danach noch einzelne Gespräche mit den Anwesenden und es war spürbar, dass es für alle eine ergreifende Veranstaltung war. Wie wichtig es ist, wahrgenommen zu werden. Als trauernder Mensch, als Hinterbliebener. Und auch wie wertvoll es ist, darüber reden zu dürfen, einen Ansprechpartner zu finden der einen versteht.

Für unseren Verein ging es nun noch weiter in die Innenstadt. Ein ganzes Team von TREES of MEMORY e.V. Mitgliedern und Mario Dieringer baute dort den Infostand auf, um die Öffentlichkeit auf den internationalen Tag der Suizidprävention aufmerksam zu machen. Trotz immer wiederkehrenden leichten Regens stieß der Trupp dort auf das Interesse der Passanten. Von manchen vorsichtig und mit Abstand beäugt, von vielen auch gezielt aufgesucht. Unsere Flyer und die der anderen verschiedenen Vereine und Organisationen, die auf dem Tisch ausgelegt waren, wurden dankbar mitgenommen. Was für alle jedoch das wichtigste war, sind eindeutig die Gespräche, die sich mit den Passanten ergaben. Menschen, die stehen blieben und uns mitteilten, dass es so wichtig und wertvoll sei, was TREES of MEMORY e.V. da tut. Manch einer von ihnen hatte größeren Gesprächsbedarf, so dass sich immer wieder eines der Mitglieder einzeln mit diesen Personen etwas abseits des Standes unterhielt. Wir erfuhren von ihren Nöten, ihren Sorgen und ihren seelischen Krisen. Und wir versuchten in den persönlichen Gesprächen Mut zu machen. Verständnisvoll zuhörend, manchmal etwas hinterfragend, um die Situation des Gegenübers noch besser verstehen zu können. Und man merkte, dass den Personen wie eine Art Last von den Schultern genommen wurde. Sie durften ihre Gedanken äußern, ohne verurteilt zu werden. Sie wurden wahrgenommen mit ihren Sorgen und Nöten. Sie trafen auf jemanden, bei dem sie sich öffnen durften. Sie konnten einmal auf- und durchatmen. Wir durften sie im Gespräch darin zu bestärken, ihre kleinen Schritte, die oftmals auch kräftezehrend sind, weiter zu verfolgen. Und auch dazu einladen, die bereits zurückgelegten einmal bewusst zu betrachten. Sehen, was von ihnen selbst schon erreicht werden konnte. Ja, auch darauf darf und sollte immer wieder der Fokus gerichtet sein. Häufig vergessen wir einfach, welche mutigen Wege wir schon betreten haben, wie viel sie für sich schon erarbeiten konnten, etwas, worauf man auch mal stolz sein darf. Über die Depression wurde gesprochen und auch über die suizidalen Gedanken, die die Betroffenen ab und an heimsuchen. Über Hilfe und Möglichkeiten zur Unterstützung. Es durfte alles seinen Raum und seinen Platz haben in den Gesprächen. Das uns entgegengebrachte Vertrauen wissen wir wertzuschätzen. Denn uns ist klar, dass es nicht selbstverständlich ist, fremden Personen gegenüber so offen zu reden. Und es bewegte uns, machte etwas mit uns. Zeigt auf, dass wir Menschen erreichen können und es wichtig ist, was wir tun. Dass es einen Sinn macht. Nicht umsonst ist, sondern die investierte Energie und Zeit anderen zugutekommt. Den Menschen, die es wert sind, gehört zu werden. Denen die kämpfen, zweifeln, Nöte haben.

Wir haben auch Gegenwind verspürt. Wurden verurteilt, in Frage gestellt. Es ergab sich ein Gespräch in dem ein Austausch nur schwer bis gar nicht möglich war. Die Präsenz mit dem Infostand könne suizidale Menschen dazu bringen, die Gedanken überhaupt erst in die Tat umzusetzen, ebenso die Gedenktafel am Baum der Erinnerung. Beim Versuch des Austausches und dabei, unsere Argumente verständlich zu machen, wurde uns deutlich, dass wir nicht immer den Kontakt und den Zugang zu jedem finden können. Und wo unsere eigenen Grenzen liegen.

Auch das gehört zu solch einem Tag. Was half, war das eigene und erlernte Wissen, die eigenen Erfahrungen. Und sicherlich auch die Ausbildung zum Ersthelfer der psychischen Gesundheit, des MHFA-Ersthelfers. Dadurch ließen sich Situationen besser einschätzen, die Wortwahl in allen Gesprächen besser treffen, besser hin spüren. Und sicherer agieren. Wir sind dankbar, unsere Mitglieder diesen Ersthelferkurs der psychischen Gesundheit ans Herz legen zu dürfen und viele davon das Angebot auch annehmen und sich dazu ausbilden lassen.

Wir sind dankbar für so vieles. Der Stadt Gießen, dass dort ein TREE of MEMORY sein darf. Den Menschen, die sich eingeladen fühlten und kamen. Wir sind dankbar für den Austausch, jedes einzelne Gespräch. Wir sind dankbar für jeden Zuspruch und auch für jede Kritik. Wir sind dankbar dafür, dass sich Mitglieder treffen konnten, zum Teil das erste Mal begegnen durften, um gemeinsam etwas zu erreichen. Wir sind dankbar dafür, dass nach einem ganzen Jahr wieder gute, wertvolle und wichtige Öffentlichkeitsarbeit im „Draußen“, live und hautnah möglich war. Wir sind dankbar, dass uns Mario noch am Infostand unterstützte und er dadurch auch am zweiten Teil des Veranstaltungstages dabei war. Wir sind dankbar auch für den Austausch, der uns endlich wieder unkomplizierter und mit mehreren ToM-Mitgliedern vor Ort untereinander ermöglicht war. Es gab allen Beteiligten, die Wochen mit den Vorbereitungen verbrachten, die unzählige Mails schrieben und Telefonate führten, die planten und überlegten, die auf- und abbauten, so viel zurück. Ja, es hat Energie gefressen. Aber viel mehr zurückgegeben. Bei allen musste dieser Tag danach erst einmal sacken. Man musste es auf sich wirken lassen. Jeder Einzelne von uns konnte im Nachgang hin spüren, was dieser Tag bei einem selbst bewirkt hat. Denn Tage wie dieser bringen immer etwas in Bewegung. Bei anderen, bei einem selbst, für die Vereinsarbeit. So werden wir genau dieses Gefühl aufgreifen. Die Dankbarkeit. Dass all dies möglich und erlebbar war. Dass dieser Tag so überaus positiv verlief. Und genau mit diesem Gefühl in die letzten Vorbereitungen der nächsten Veranstaltung gehen. Es ist ein Energieschub, den wir mitnehmen. Wir freuen uns darauf, am 13. Oktober in Kassel zu sein. Um auch dort einen Baum der Erinnerung pflanzen zu dürfen, gemeinsam mit dem Museum für Sepulkralkultur. Dort als Ansprechpartner, als Gesprächspartner sein zu dürfen für jeden, der mit uns ins Gespräch kommen möchte. Ich glaube, ich kann für alle, die in Gießen dabei waren und die in Kassel dabei sein werden, sprechen. Und für alle, die zurückliegende Veranstaltungen geplant und durchgeführt hatten. Und für alle, die an den bisherigen Mitgliederversammlungen teilgenommen haben. Die Mitglieder unseres Vereins, die sich begegnen, die gemeinsam etwas auf die Beine stellen, sie möchten das Gefühl nicht missen. Denn auch ihnen gibt es viel mehr zurück, als man selbst gibt. Zeigt auf, dass der eingeschlagene Weg richtig ist. Das Tun einen Sinn ergibt. Danke, dass es TREES of MEMORY e.V. gibt. Danke, dass es Euch gibt, die unser Tun und Wirken verfolgen. Die uns den Rücken stärken, uns zum Weitermachen ermuntern.






bottom of page