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Den Tod nicht zum Tabu machen

HÜTTENBERG-VOLPERTSHAUSEN - Den Sarg oder die Urne bemalen, den Verstorbenen einkleiden, Abschied nehmen im Bestattungshaus - wenn es darum geht, den Hinterbliebenen in der schwierigen Zeit nach dem Tod eines geliebten Menschen eine Stütze zu sein, versuchen Matthias Bangel und seine Mitarbeiter alles möglich zu machen.

Davon haben sich beim Tag der offenen Tür im Bestattungshaus Bangel viele Besucher ein Bild gemacht. Matthias Bangel hatte ihn in Anlehnung an den "Mementotag" am 8. August angeboten und sah darin eine gute Möglichkeit, den Umgang mit dem Tod in den Mittelpunkt zu rücken, denn: "Der Tod wird heute viel zu sehr tabuisiert, obwohl er zum Leben gehört. Deshalb sollten wir uns immer wieder mit ihm auseinandersetzen und uns darauf vorbereiten", sagt Geschäftsführer Bangel.

Längst sind die Räume des Bestattungshauses nicht mehr nur eine Zwischenstation vom Sterbebett zum Friedhof. Hier gibt es mehr als einen Kühlraum und einen Ort, an dem die Verstorbenen ein letztes Mal hergerichtet werden. "Wir sehen uns zunehmend als ein Dienstleiter, der das anbietet, was sich die Hinterbliebenen wünschen. Die Beratung und die persönliche Begleitung sind ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit", schildert Bangel. Oft finde sie im Trauerhaus statt, doch immer öfter werde auch die Möglichkeit genutzt, im Abschiedsraum des Bestattungshauses bei einer kleinen Trauerfeier Abschied zu nehmen: "Die Hinterbliebenen können dem Verstorbenen noch einmal ganz nah sein oder sie nehmen hinten auf dem Sofa Platz, wenn die Berührungsängste zu groß werden."

Gemeinsam machen die Kollegen des Bestattungshauses und die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen von "Trees of Memory" darauf aufmerksam, dass der Tod zum Leben gehört und längst kein Tabuthema mehr ist (v.l.): Sascha Schnell, Jutta Achenbach, Geschäftsführer Matthias Bangel, Iris Pfister, Anita Trees und Hedda Stamm. Foto: Manuela Jung)

Seit zehn Jahren widmet sich Matthias Bangel ausschließlich den Bestattungen. Im vergangenen Dezember

wechselte er dafür nach Volpertshausen, denn seine Arbeit hat mit wachsender Betriebsgröße immer mehr Platz gebraucht. Zwischen 100 und 150 Familien begleiten er und seine Kollegen pro Jahr, und jede von ihnen ganz individuell. "Die einen wollen es mit wenig Pomp, weil die Oma auch eine ganz einfache Frau war. Die anderen halten sich an bestimmten Ritualen fest oder gestalten den Sarg und finden auf diese Weise Trost."

Für Bangel gehören Abschied, Trauer und Verlust zum Berufsalltag. Doch wenn Angehörige ein Familienmitglied durch Suizid verlieren, dann ist das auch für ihn eine Situation, die viel Fingerspitzengefühl erfordert. Vor einigen Monaten erfuhr der Bestatter über eine Fachzeitschrift von dem Verein "Trees of Memory" und nahm sofort Kontakt mit ihm auf. Denn dessen Arbeit ist genau das, was Menschen in einer derartigen Ausnahmesituation brauchen.

Mit dem Suizid umgehen lernen

"Nach dem tragischen Verlust eines Menschen durch Suizid umgibt die Hinterbliebenen eine tiefe Verzweiflung. Es entsteht ein riesiges Loch und schnell stellt sich die Frage nach der Schuld", sagt Vereinsmitglied Iris Pfister. Das sei eine Situation, in der das Abschied nehmen erst einmal gar nicht möglich sei. "Trees of Memory" möchte Angehörigen die Möglichkeit geben, Frieden zu schließen und zurück ins Leben zu finden, auch wenn der Weg dahin oft unendlich weit erscheint. Die Idee erläutert Iris Pfister so: "Wir pflanzen gemeinsam Bäume der Erinnerung und schenken ihnen das Leben. Genau, wie der Baum Wurzeln schlägt, soll es auch den Angehörigen wieder möglich sein, Wurzeln zu schlagen."

Mario Dieringer heißt der Initiator, auf dessen Idee hin sich der Verein gegründet hat. Sein Vorhaben: "Auf einer Wanderung, einmal um die Welt, pflanze ich Bäume der Erinnerung für Suizidopfer. Die Orte, an denen ich einen Baum pflanze, bestimmen die Route meiner Wanderung um die Welt. Dabei steht jeder Baum für einen Menschen, der es nicht geschafft hat, weiterhin eine lohnende Perspektive im Leben sehen zu können und im Suizid den Ausweg aus dem Leiden suchte, obwohl er eigentlich leben wollte."

Bislang ist Mario Dieringer im gesamten Bundesgebiet unterwegs, doch das könnte schnell über die Grenzen hinausgehen, denn das Interesse wächst. Iris Pfister koordiniert Dieringers Route, sie schaut, wo er im Kürze vorbeikommen könnte und spricht die dann stattfindende Zeremonie mit den Betroffenen ab. "Bis es dazu kommt, können einige Monate vergehen", sagt sie, schließlich setzt Dieringer ausschließlich auf seine Füße.

Iris Pfister und ihre Kollegin Anita Trees haben beide selbst einen geliebten Menschen durch Suizid verloren. In wenigen Wochen soll der Baum für Anita Trees' Sohn gepflanzt werden, in Hanau, dort, wo er mit seinen Pfadfinderkameraden gerne war.

Und auch in Hüttenberg soll es bald einen Baum der Erinnerung für ein Mädchen geben, das sich das Leben nahm. Auf dem Kirchhofsvorplatz in Weidenhausen soll er stehen und an die Verstorbene erinnern. "Er soll aber auch stellvertretend für alle Suizidopfer stehen und den Menschen Mut machen, über ihr schweres Leid zu reden", sagt Matthias Bangel. Schließlich sei auch der Suizid immer noch ein Tabuthema: "Du kommst dir ausgegrenzt vor und wirst stigmatisiert", weiß Anita Trees aus Erfahrung.

Bäume der Erinnerung pflanzen

Das zu ändern, sehen die ehrenamtlichen Mitarbeiter von "Trees of Memory" als eine weitere Aufgabe, wie Iris Pfister erläutert: "Wir gehen zu den Leuten hin, wollen Ihnen eine Stütze sein und sagen ihnen, wo sie Hilfe finden. Als ich meinen Sohn verloren habe, wusste ich überhaupt nicht, welche Möglichkeiten es für mich bereits gibt. Mir fehlte die Kraft, mich aufzuraffen. Erst nach Jahren habe ich zurück ins Leben gefunden."

Für Pfisters Sohn gibt es ebenfalls seit kurzem einen Baum. Sie hegt und pflegt ihn, sieht ihm beim Wachsen zu und merkt, dass Leben entsteht, wo ein anderes Leben geendet hat. "Das gibt mir Kraft, vor allem dann, wenn mich die Vergangenheit wieder einholt und ich die Trauer erneut zulassen muss."

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