google-site-verification=-UgRHQ8wj0fm7xzZB-RVR0oR456EBS1jG8-927xuFjk STEINIGE WEGE – ODER WAS SETZE ICH DEM UNAUSWEICHLICHEN ENTGEGEN
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STEINIGE WEGE – ODER WAS SETZE ICH DEM UNAUSWEICHLICHEN ENTGEGEN


Die Zeiten sind noch immer unruhig. Und auch wenn ich mir immer wieder sage, dass alles auch schlimmer sein könnte, so fühlt sich das ganze Jahr schon seltsam an. Es fällt mir ja sowieso schon schwerer, mich an Veränderungen zu gewöhnen. Vielleicht liegt es daran, dass mein Leben von einem auf den anderen Tag so abrupt aus der „Comfort-Zone“ geschmissen wurde und plötzlich alles anders, aber nicht mehr „normal“ ist. Gerade dann benötigt man eigentlich eine gewisse Konstanz um sich, um diese andere Normalität als die seine annehmen zu können. Dieses Jahr fordert uns heraus. Zwingt uns zum Umdenken, zum Handeln, wie man es eigentlich nicht wirklich möchte und dämpft den Tatendrang. Wegfallende Lichtblicke, nicht durchführbare Vorhaben und tägliche Ungewissheit. Es zieht sich durch alles. Es fällt schwer, nicht den Mut zu verlieren, sich in Geduld zu üben und das Positive zu suchen. Macht es überhaupt Sinn, etwas zu planen? Oder muss dann doch wieder alles über den Haufen geworfen werden? Während ich mir zumindest diesen einen Lichtblick nicht rauben lassen musste und mit meiner Schwester in den Bergen zum Wandern war, kamen dann doch auch immer wieder nicht so gute Nachrichten bei mir an. Marios Lauf noch immer verzögert, weil inzwischen die zweite Panne und das Warten auf Ersatzteile für seinen High-Tech-Wanderwagen seine Geduld und seinen Laufdrang bremsten. Eines unserer Mitglieder kann nicht mit uns gemeinsam das Seminar besuchen, da sie im falschen Landkreis wohnt, der eben als Risikogebiet bezeichnet wird. Eine von April auf September schon bereit verschobene Messe nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Ein Konzerttermin, nun ebenfalls zum zweiten Mal verschoben. Nun denn, wie kann ich damit umgehen? Alles zeugt von Enttäuschung, wo finde ich das Positive? Ich habe es trotz dieser Dämpfer bei meiner Auszeit in den Bergen gefunden. Habe mich selbst herausgefordert, da wir die anstrengendste Tour gleich am ersten Tag gewandert sind. Das Wetter spielte mit, so dass wir ungefähr achteinhalb Stunden wanderten und insgesamt elf Stunden unterwegs waren. Ein elendiger Anstieg, bei dem ich dachte, es ist kein Ende in Sicht. Dabei sah der Weg zuerst recht harmlos aus. Diese Wanderung übers Muttjöchle schien irgendwie sinnbildlich zu sein, passend zur momentanen Situation und meinem Leben. Nach oben kämpfend, gelegentlich strauchelnd, immer wieder gezwungen sein, Atempausen einzulegen. Ja, ich hätte deshalb stur nach oben laufen können. Aber ich habe ganz bewusst den Blich auch zur Seite, nach vorne und auch zurück gerichtet. Die Natur auf mich wirken lassen und diese Eindrücke richtiggehend aufgesaugt. Es war das, was ich brauchte. Zweiundzwanzig Kilometer über schmale Wege, kleinere und größere Felsbrocken, Wurzeln und Wiesenwege, dabei 695 Höhenmeter hoch bis zum Gipfel und danach 1274 Höhenmeter Unterschied hinunter bis zum Ausgangspunkt. Der Abstieg fühlte sich irgendwann für die Knie an wie die Hölle. Aber oben am Gipfelkreuz, auf 2074 m, da war dieser Ausblick einfach grandios. Mit Rundumblick auf die Rätikon-, Verwall-, und Silvretta Gebirge und die Lechtaler Alpen. Nur Stille zu hören. Und Weite, wo immer man hinblickt. Es machte das Herz leichter, ließ wieder atmen, mich innerlich ankommen. Bei dieser Wandertour lief meine Schwester oft vorneweg. Sie ist geübter bei großen Touren und hat einfach die bessere Kondition und bessere Lungen als ich. Zum Reden hätte ich wohl eh nicht die Luft gehabt, zumindest beim Anstieg. Wir waren also gemeinsam unterwegs, aber dennoch hatte jede ihren eigenen inneren Kampf mit dem Berg auszufechten. Wie im wirklichen Leben ja auch. Manchmal war sie aus meinem Sichtfeld verschwunden, mal lief sie direkt vor mir. Das war es: das in einer Gemeinschaft sein und auf den anderen achten, aber trotzdem sich seiner selbst bewusst sein, auch auf sich selbst konzentrieren. Und genauso war es richtig.

Am nächsten Tag entschieden wir uns für eine kleiner und „sanfte“ Tour um den Silvretta Stausee. Auch da gab es gelegentlich kleine Anstiege, mit denen meine Knochen ein wenig zu kämpfen hatten. Viel wichtiger war aber die Farbenpracht. Blühende Alpenrosen, wohin das Auge reichte. Rote, gelbe und lila leuchtende Pflanzen am Wegesrand und an den Hängen. Und den Blick auf den Piz Buin. Die Farbe des Sees ist einfach nur eine Wohltat für die Seele. Ich konnte mich wieder mal nicht sattsehen an all den Farben um mich herum. So war es dann auch bei unserer nächsten Tour auf den Golmer Joch. Zwar sind wir nicht so viele Kilometer dort gelaufen, da wir ab der Mittelstation wieder talwärts fuhren. Aber die Aussicht war einfach wieder Seelenfutter satt. Ich habe in diesen vier Tagen im Montafon wieder ein Stück zu mir selbst gefunden, konnte Kraft tanken trotz schmerzender Knochen, Muskeln und Sehnen. Das ist es, was wir brauchen. Immer wieder diese „Auftank-Stationen“, um den Alltag wieder in Angriff nehmen zu können. Das geht nicht nur in den Bergen, das geht überall. Dort, wo wir die Wunder der Natur entdecken können, uns bewusst werden was wir sehen und dort, wo wir uns selbst wahrnehmen. Den Rückschlägen, dem Negativen, dem Kräftezehrenden bewusst etwas gegenüberstellen, was uns wieder atmen lässt, was positiv und kraftspendend ist. Und so sehe ich nach dieser Bergtour auch wieder das Positive. Marios Lauf, der so holprig und mit Hindernissen begann, er scheint nun in Fahrt zu kommen. Unser Seminar kann stattfinden, unter Corona-Bedingungen und betrüblicherweise ohne unsere „Patin“, die im Kreis Gütersloh lebt, aber wir können trotzdem sicherlich viel an diesem Wochenende für uns selbst mitnehmen. Das Buch „ÜBERsLEBEN nach dem Tod eines Kindes“ von der Autorengruppe „Whisper von Soul“ wurde nun veröffentlicht und ich bin schon sehr gespannt, es in den Händen zu halten. Ich habe es gewagt und als Co-Autorin mitgewirkt. Noch etwas hat das Licht der Welt erblickt: zum neunten Mal wurde ich nun Tante und es berührt mein Herz, dass dieses kleine Wunder die Entdeckungsreise „Leben“ nun beginnen darf.

Und so sehe ich neben allen Rückschlägen, neben allem, was so schwer erscheint, doch immer wieder diese kleinen und großen Lichtblicke, die mir Mut machen und Kraft schenken. Ich wünsche allen Menschen, dass sie Dinge für sich entdecken, die den Blick nach vorne wieder ermöglichen, auch wenn der Weg noch so steinig vor einem liegt und man nicht allem ausweichen kann.



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